Feedback ist wichtig, um am eigenen Text zu feilen. Zwar können wir unser Geschriebenes auch selbst überarbeiten, aber irgendwann stößt diese Selbstkorrektur an ihre Grenzen. Wir übersehen Logikfehler und merken nicht, ob etwas spannend ist. Und wie wirkt die Protagonistin eigentlich auf andere? Jetzt ist der Blick von außen gefragt. Es wird Zeit, Testleser*innen zu suchen. Doch wo finde ich diese und was muss ich bei der Zusammenarbeit mit Test- oder auch Betaleser*innen beachten?
Geeignete Testleser*innen finden
Die einen arbeiten schon während des Schreibprozesses mit Testleser*innen zusammen, andere überarbeiten ihre Geschichte zunächst in mehreren Durchgängen selbst, ehe sie den Text in fremde Hände geben. Einen idealen Zeitpunkt für die Testlesersuche gibt es nicht. In der Regel ist es aber empfehlenswert, den Text zunächst selbst durchzugehen und die gröbsten Fehler auszumerzen, damit sich die Betaleser*innen nicht damit aufhalten müssen. Stattdessen können diese sich auf die Aspekte konzentrieren können, bei denen Sie selbst unsicher sind oder die Ihnen gar nicht auffallen.
Auch für die Anzahl an Testleser*innen gibt es keinen Optimalwert. Wer sich auf das Feedback einer Person verlässt, läuft Gefahr, sich zu abhängig von dieser Meinung zu machen. Vieles ist in der Literatur auch Geschmackssache und wer mehrere Rückmeldungen einholt, kann vergleichen, welche Aspekte nur von einer Person als problematisch erachtet werden und auf welche mehrere hinweisen. Andererseits heißt es nicht umsonst, dass viele Köche den Brei verderben. Als groben Richtwert empfehlen sich also etwa zwei bis fünf Betaleser*innen pro Durchgang.
Doch wo finde ich dafür geeignete Leute? Häufig finden sich Lesewillige tatsächlich im eigenen Freundes- und Familienkreis. Vielleicht haben Bekannte schon erwähnt, dass sie gerne mal etwas von Ihnen lesen wollen. Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um auf sie zuzugehen und nachzuhaken, ob sie gerade Zeit und Lust haben, Sie zu unterstützen. Wenn sich im persönlichen Umfeld niemand finden lässt, können Sie sich auch in Schreibforen oder Facebook-Gruppen rund um das Thema Schreiben umsehen. Dort tummeln sich häufig bereitwillige Testleser*innen. Wenn Sie für eine bestimmte Zielgruppe schreiben, können Sie auch gezielt nach Personen dieser Gruppe Ausschau halten. Ihr neuestes Manuskript richtet sich an Jugendliche? Vielleicht hat ja der Sohn der Nachbarin Interesse daran, das Buch zur Probe zu lesen.
Was macht eine gute Zusammenarbeit aus?
Wenn die ersten Freiwilligen gefunden sind, stellt sich die Frage nach der optimalen Zusammenarbeit. Schicke ich ihnen einfach das Manuskript und warte ab, was sie anzumerken haben? Oder gebe ich besser Vorgaben, worauf beim Lesen besonders geachtet werden soll, schicke vielleicht sogar einen ganzen Fragebogen mit? Beides ist möglich und beides hat seine Vor- und Nachteile. Wer einen Mittelweg wählen möchte, kann zunächst den reinen Text für einen unvoreingenommenen ersten Leseeindruck verschicken und im Anschluss eine Datei mit konkreten Fragestellungen, durch die Rückmeldung zu bestimmten Aspekten eingeholt wird.
Hier eine kleine Auswahl an Aspekten, auf die beim Testlesen ein besonderes Augenmerk gelegt werden kann:
- Ist die Geschichte stimmig? Gibt es Logiklücken?
- Wie ist der Spannungsbogen aufgebaut? Gibt es langweilige Passagen?
- Sind die Charaktere interessant und handeln sie glaubwürdig?
- Ist eine Entwicklung der Protagonisten erkennbar?
- Wie ist die Geschichte sprachlich gestaltet? Gibt es holprige Stellen?
- Welche Szenen könnten gekürzt werden und in welchen mangelt es noch an Informationen?
- Wie ist die Stimmung der Geschichte? Wird ausreichend Atmosphäre vermittelt?
Wie stark Sie Ihre Betaleser*innen vorab briefen, hängt auch davon ab, wie häufig Sie schon zusammengearbeitet haben und wie viel Erfahrung diese mit dem Testlesen oder dem Schreiben im Allgemeinen haben. Wer viel liest oder sich intensiv damit auseinandergesetzt hat, was einen guten Roman ausmacht, weiß wahrscheinlich von selbst, worauf es zu achten gilt. Laien sind vielleicht dankbar für konkrete Anleitungen. Andererseits kann es auch interessant sein, zu sehen, wie ein unvoreingenommener Durchschnittsleser Ihren Text wahrnimmt. Hier kommt es darauf an, was Sie sich von den Rückmeldungen erhoffen. Fragen Sie sich, was Ihnen in der aktuellen Situation weiterhelfen könnte, und vermitteln Sie dies konkret an Ihre Testleser*innen.
Feedback sinnvoll nutzen
Wenn die ersten Rückmeldungen reinkommen, ist das ein aufregender, aber häufig auch schwieriger Moment. Mit negativem Feedback umzugehen, ist nicht leicht, gerade wenn es der erste Roman ist oder ein Werk, auf das man besonders stolz ist. Bevor Sie die Kommentare Ihrer Testleser*innen lesen, sollten Sie sich daher Folgendes in Erinnerung rufen: Die Kritik richtet sich nicht gegen Sie als Person. Außerdem bedeutet Kritik nicht per se, dass Sie ein schlechter Autor sind oder dass Ihre Idee grundsätzlich schlecht ist. Es bedeutet lediglich, dass es noch Verbesserungsbedarf gibt – und das wussten Sie schon vorher, denn sonst hätten Sie nicht um Feedback gebeten. Solange die Kritik konstruktiv ist, sollten Sie dankbar dafür sein, denn so haben Sie die Möglichkeit, noch mehr aus Ihrem Text herauszuholen. Falls es Ihnen dennoch sehr schwerfällt, mit negativer Rückmeldung umzugehen, könnten Sie Ihre Testleser vorab bitten, sowohl negative als auch positive Aspekte Ihrer Geschichte anzumerken. Im Wechsel mit Lob lesen sich auch die Verbesserungsvorschläge leichter.
Gehen Sie den Text nun Stück für Stück durch und vergleichen Sie die Anmerkungen ihrer Testleser*innen. Schauen Sie, auf welche Probleme im Plot oder Schwächen bei der Charakterisierung besonders häufig hingewiesen wird. Über welche Stellen sind Ihre Erstleser*innen gestolpert? Überlegen Sie, welche der Kritikpunkte Sie umsetzen möchten und welche nicht. Manches ist schnell erledigt: ein fehlendes Komma eingefügt oder ein noch nicht rund klingender Satz umgeschrieben. Anderes erfordert mehr Arbeit. Manchmal müssen ganze Szenen umgeschrieben, hinzugefügt oder gestrichen werden. Erstellen Sie sich am besten eine Liste mit Einzelschritten und arbeiten Sie diese Punkt für Punkt ab.
Wenn zwischendurch Fragen aufkommen, können Sie sich wieder an Ihre Testleser*innen wenden. Einer von ihnen hat angemerkt, dass der Protagonist in Kapitel sechs nicht seiner Rolle entsprechend handelt? Fragen Sie nach, ob andere das ähnlich gesehen und bloß nicht angemerkt haben. Ihnen kommt die Idee für eine neue Szene, die für mehr Spannung sorgen könnte? Holen Sie sich dazu weitere Meinungen ein.
Wenn die Geschichte schließlich auf Basis des Feedbacks überarbeitet wurde, ist es oft sinnvoll, einen zweiten oder später sogar dritten Testleserdurchlauf zu starten. Das gilt vor allem dann, wenn grundlegende Dinge geändert wurden und sich die Geschichte noch einmal stark verändert hat.
Doch wie genau Sie vorgehen, ist zu einem Großteil Typsache. Im Laufe der Zeit entwickelt jede/r sein eigenes System, das gut funktioniert. Dies sind also nur einige Empfehlungen. Wenn Sie weitere Fragen dazu haben oder sich neben dem Feedback der Testleser*innen ein professionelles Manuskriptgutachten wünschen, melden Sie sich gern!