Eine gute Geschichte zeichnet sich nicht nur durch eine spannende Handlung, sondern auch durch interessante Figuren aus. Nur wenn die Leser*innen Interesse an den Charakteren und ihrem Handeln haben, wollen sie wissen, wie es weitergeht. Deshalb lohnt es sich, vor dem Schreiben über die Charaktere nachzudenken und mehrdimensionale Figuren zu schaffen.
Protagonisten und Antagonisten planen
Die Protagonist*innen sind die Hauptfiguren der Geschichte, sie tragen die Handlung und sind in den meisten oder gar allen Szenen präsent. Deshalb müssen sie lebendig sein. Ähnliches gilt für die Antagonist*innen. Das sind die Gegenspieler, die ein gegenläufiges Ziel verfolgen. Wichtig ist daher, sich Gedanken über das jeweilige Ziel und die Motivation der jeweiligen Figuren zu machen. Diese stehen in der Regel im Zusammenhang mit der Haupthandlung und bilden die Grundlage der Figurenplanung. Weiterhin sind Aspekte wie der Charakter oder die persönlichen Interessen der Figuren von Bedeutung.
Diese lassen sich beispielsweise in Form eines Charakterbogens festhalten. Hier können die „harten Fakten“ wie der Name, das Alter, der Wohnort oder Beruf einer Figur zusammengetragen werden. Auch eine kurze Beschreibung des Aussehens ist hilfreich. Wichtig ist die Wahl der Charakterzüge. Überlegen Sie, welche Eigenschaften im Hinblick auf die geplante Geschichte wichtig sind. Muss Ihr Protagonist mutig oder kommunikativ sein? Welche Eigenschaften bieten Potenzial für Konflikte? Wichtig ist, ein rundes Bild der Figur zu schaffen. Die Charaktereigenschaften sollten zueinander passen und vor allem sollte es eine ausgewogene Mischung aus positiven und negativen Eigenschaften geben. Perfekte Figuren sind langweilig. Überlegen Sie also, welche Makel Ihre Figuren kennzeichnen und welche Bedeutung das für die Geschichte haben könnte.
Machen Sie sich Gedanken über die Vergangenheit der Figuren sowie deren Ziele und Wünsche für die Zukunft. Was sind ihre Interessen und Hobbys? Wer sind die wichtigsten Personen in ihrem Leben? Wo halten sie sich gern auf? Je mehr Sie über die Figuren wissen, desto authentischer können Sie über sie schreiben. Das bedeutet nicht, dass alle Informationen später in die Geschichte einfließen müssen oder sollen. Für die Handlung spielt es möglicherweise keine Rolle, ob die Antagonistin blaue oder braune Augen hat und was ihr Lieblingsgericht ist, aber für Sie kann das wichtig sein, um ein Gespür für die Figuren zu entwickeln.
Wer mehr über seine Figuren herausfinden möchte, kann auch fiktive Interviews mit seinen Charakteren führen oder Fragen aus der Sicht einer Figur beantworten. Weiterhin könnte ein Tagebucheintrag aus der Sicht der Figur verfasst werden oder eine Szene aus ihrer Perspektive. Diese Szene muss später nicht in das Manuskript eingearbeitet werden, sondern hier geht es vor allem darum, ein Gefühl für die Stimmen der Charaktere und ihre Denkweisen zu entwickeln.

Figurenentwicklung im Roman
Trotz aller Planung sollten Sie bedenken, dass Ihre Figuren und deren Charaktereigenschaften nicht statisch sind. Stattdessen dürfen sie sich im Verlauf der Erzählung verändern und weiterentwickeln. Das passiert beim Schreiben oft automatisch. Manchmal merkt man auch, dass einige der geplanten Punkte in der Umsetzung nicht so gut passen wie gedacht. Halten Sie also nicht stoisch an Ihren Charakterbögen fest, sondern ergänzen und verändern Sie die Informationen, wenn Ihnen neue Einfälle kommen. Auf diese Weise bleiben Sie flexibel und haben trotzdem jederzeit den Überblick. Sie können beim Schreiben schnell nachschlagen, welche Augenfarbe der Protagonist hat und wie noch gleich die verstorbene Großmutter heißt.
Darüber hinaus kann es sich lohnen, schon vor dem Schreiben Überlegungen zu der Figurenentwicklung anzustellen. Gerade bei den Hauptfiguren ist es wichtig, dass sie im Laufe der Erzählung über ihre Grenzen hinausgehen, daran wachsen und sich verändern. Diese Entwicklung verläuft parallel zur Handlung, denn die beiden Elemente bedingen einander. Einzelne Geschehnisse stoßen die Veränderung einer Figur an und diese Figur beeinflusst wiederum die folgende Handlung. Daher ist es sinnvoll, die Figuren- und Handlungsplanung parallel zueinander vorzunehmen. Sie sind nichts Getrenntes, sondern verschränkt und gleichermaßen bedeutend für einen guten Roman.
Interessante Nebencharaktere schaffen
Die Nebencharaktere werden bei der Planung häufig vernachlässigt, dabei sind sie genauso wichtig wie die Hauptfiguren. Oft finden sich unter ihnen sogar die geheimen Leserlieblinge. Wie ausführlich einzelne Nebencharaktere geplant werden, hängt von ihrer Bedeutung für die Erzählung ab. Figuren, die nur an einer einzelnen Stelle im Roman auftauchen, müssen vorab nicht bis ins kleinste Detail geplant werden. Taucht eine Figur aber immer wieder auf, darf ihr gerne mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Ein ausführlicher Charakterbogen, wie Sie ihn für die Hauptfiguren entwerfen, ist möglicherweise übertrieben, aber einige Stichpunkte, die sich um die zentralen Wesensmerkmale oder das Aussehen drehen, können nützlich sein. Überlegen Sie, was die Figur im Speziellen auszeichnet. Was hebt sie von anderen ab? Warum ist sie für die Geschichte bedeutsam? Bei den Nebenfiguren ist es wichtig, deren Rolle in der Erzählung zu definieren. Unterstützen sie den Protagonisten? Verfolgen sie zwielichtige Absichten? Sollen sie Witz in die Geschichte bringen? Auf dieser Basis kann die weitere Figurenplanung stattfinden.
Den Überblick bewahren
Bei Romanen mit vielen Charakteren oder Reihen ist es oft nicht leicht, den Überblick über alle Charaktere zu behalten. Hierfür kann es hilfreich sein, eine Figurenliste anzulegen, in der jeweils der Name und die Rolle in der Erzählung vermerkt werden. Bei Bedarf können ein oder zwei beschreibende Sätze oder andere für die Geschichte relevante Informationen ergänzt werden. Diese Liste kann im Voraus begonnen und dann immer wieder ergänzt werden, wenn neue Charaktere hinzukommen.
Um einen Überblick über die Beziehungen der wichtigsten Figuren zu haben, kann zusätzlich ein Soziogramm erstellt werden. Damit dies nicht zu unübersichtlich wird, ist es oft besser, sich dabei auf die wichtigen Figuren zu konzentrieren und nicht jede Nebenfigur aufzunehmen. Dies kann während des Schreibens oder den anschließenden Überarbeitungen angepasst werden, ist aber auch vorab schon ein nützliches Planungstool. Denn je mehr Sie im Voraus über Ihre Figuren und deren Beziehungen untereinander wissen, desto leichter ist es, darüber zu schreiben – und umso authentischer wirken die Figuren später beim Lesen.